Regelmäßig nimmt der Rechtsanwalt Dr. Ulrich Dieckert zu Rechtsfragen der Sicherheitstechnik in Veröffentlichungen und Vortragsveranstaltungen Stellung.
Hier zwei aktuelle Urteile zum Thema Videoüberwachung mit den Stellungnahmen des Berliner Rechtsanwalts.
a) Private Videoüberwachung und Miterfassung des öffentlichen Raums (EuGH, Urteil vom 11.12.2014 – C-212/13)
Der EuGH hatte in diesem Fall zu entscheiden, ob die Videoüberwachung eines privaten Anwesens der Europäischen Datenschutzrichtlinie unterliegt, wenn die Kameras auch einen Teil des öffentlichen Straßenlandes erfassen. Diese Frage hat der EuGH bejaht, weil eine Überwachung außerhalb der privaten Sphäre nicht mehr als eine ausschließlich „persönliche oder familiäre“ Tätigkeit i. S. v. Artikel 3 Abs. 2 der Richtlinie 95/46 angesehen werden kann.
Weitere Feststellungen traf der EuGH nicht, insbesondere fällte er kein Urteil über die rechtliche Zulässigkeit der Maßnahme. Er ließ jedoch in einer Nebenbemerkung durchblicken, dass für die Videoüberwachung im konkreten Fall durchaus berechtigte Interessen gesprochen hätten. Was die Anwendung der Datenschutzrichtlinie angeht, so soll diese nach Auffassung des EuGH nur einschlägig sein, soweit durch die Kameras eine Identifikation der betroffenen Personen möglich ist. Daraus lässt sich im Umkehrschluss folgern, dass bei Kameras, die aufgrund ihres Empfangsbereiches bzw. der geringen Pixelzahl nur Übersichtsaufnahmen zulassen, die Datenschutzrichtlinie keine Anwendung findet. Überträgt man dies auf das deutsche Datenschutzrecht, dürfte § 6 b BDSG ebenfalls keine Anwendung finden, wenn eine Identifizierung der erfassten Personen nicht möglich ist.
b) Unzulässigkeit von Dash-Cam-Aufzeichnungen (LG Heilbronn, Urteil vom 17.02.2015 – Az. I 3s 19/14)
In diesem Fall wollte ein geschädigter Autofahrer die von ihm mittels einer sogenannten „Dash-Cam“ gefertigten Aufzeichnungen als Beweismittel verwenden. Dies lehnte das Landgericht Heilbronn ab. Die Aufzeichnungen seien ohne Kenntnis des betroffenen Unfallgegners angefertigt worden und danach gemäß § 6 b Abs. 2 BDSG rechtswidrig erlangt. Eine Verwertung im Prozess sei nur dann ausnahmsweise zulässig, wenn die Interessen des Geschädigten die Interessen des von der Kamera Betroffenen überwiegen. Dies sei vorliegend nicht gegeben, weil mit der „heimlichen“ Aufnahme gravierend in das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Unfallgegners eingegriffen würde.
Das Landgericht versteigt sich dann zu folgender Aussage: „Wollte man dies anders sehen und der bloßen Möglichkeit, dass eine Beweisführung erforderlich werden könnte, den Vorrang vor dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung einräumen, würde dies bedeuten, dass innerhalb kürzester Zeit jeder Bürger Kameras ohne jeden Anlass nicht nur in seinem Pkw, sondern auch an seiner Kleidung befestigen würde, um damit zur Dokumentation und als Beweismittel zur Durchsetzung von möglichen Schadensersatzansprüchen jedermann permanent zu filmen und zu überwachen. Damit aber würde das Recht auf informationelle Selbstbestimmung praktisch aufgegeben.“
Ich halte das Urteil sowie die daraus abzuleitende Haltung des LG Heilbronn für verfehlt. Dies beginnt damit, dass mit sogenannten „Dash-Cams“ keine Videoüberwachung des öffentlichen Straßenlandes im Sinne des § 6 b BDSG stattfindet, weil der Autofahrer hier nicht als „Beobachter“ agiert. Auch werden die gefertigten Aufnahmen permanent überschrieben, eine Speicherung erfolgt nur, wenn ein Zusammenstoß stattfindet. Der Betreiber einer solchen Kamera hat überhaupt kein Interesse daran, Bilddaten von jedermann zu sammeln. Es geht einzig und allein darum, im Falle eines Zusammenstoßes eine objektive Bewertung des Herganges zu ermöglichen, was von der Verkehrspolizei übrigens begrüßt wird. Insbesondere von Autovermietungen wird dieses Mittel immer häufiger eingesetzt, um bei fingierten Unfällen ein taugliches Beweismittel in der Hand zu haben.
In Anbetracht der Tatsache, dass bei Unfällen erhebliche Sach- und Personenschäden angerichtet werden können, ist dem materiellen Interesse des Betreibers meiner Meinung nach ein Vorrang einzuräumen vor dem Interesse eines Unfallgegners. Denn die Aufnahme berührt nicht dessen Privat- oder Intimsphäre, sondern findet in einem Bereich statt, in dem sich ein Bürger ohnehin der Wahrnehmung durch andere aussetzt (sogenannte Sozial- bzw. Geschäftssphäre). Auch werden durch solche Aufnahmen keine lückenlosen Bewegungs- oder Verhaltungsprofile angefertigt, sondern lediglich ein kurzer Augenblick erfasst, in dem sich der Betroffene darüber in der Regel verkehrswidrig verhalten hat. Warum soll dies nicht als Beweismittel verwendet werden? Mit einer anlasslosen und zeitunabhängigen „Rund um die Uhr“-Überwachung des öffentlichen Raums – wie vom Landgericht Heilbronn befürchtet – hat dies überhaupt nichts zu tun!